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]LU]Nach 28 Jahren stillgelegt - Ein geschichtlicher Rückblick auf den Ludwigshafener C-Tunnel(mB) (14645 Klicks)

13. Dezember 2018 22:48
Da ich gerade kürlich wieder Thema (L)U-Bahn aufgemacht habe im Zusammenhang mit der Einstellung der 12 und Stilllegung des C-Tunnels ( [www.facebook.com] , [www.drehscheibe-online.de] [www.drehscheibe-online.de] ), wollte ich noch einige Worte zum C-Tunnel loswerden. Allerdings versuche ich mich auf die Gefahr hin, dass ich morgen noch daran sitze, etwas kurz fassen.




Mit dem Projekt „Visitenkarte“ (dazu gibt’s ne Wikipedia-Seite) startete man in LU erste U-Strab-Planungen. Eine U-Strab, dieser Unterschied wird noch wichtig, unterscheidet sich unter anderem von einer U-Stadtbahn dadurch, dass man eine klassische Straßenbahninfrastruktur unter der Erde aufbaut, was niveaugleiche Kreuzungen, enge Radien und straßenbahntypisch viele Verzweigungen zulässt. Eine Stadtbahn hingegen ist wie eine U-Bahn kreuzungsfrei trassiert und baut auf dem Stammstreckengedanken auf. Eine Verästelung der einzelnen Strecken ist nicht vorgesehen.










Die Tunnelplanungen für eine U-Strab nahmen Fahrt auf, als es an die Verlegung des Hauptbahnhofes vom Stadtzentrum an den westlichen Stadtrand ging.
Zu den Anlagen habe ich bei Gelegenheit mal was auf DSO geschrieben, der ein oder andere Tunnelfan erinnert sich vielleicht: [kuerzer.de]









Mit dem Freiwerden des Bahngeländes sollte ein völlig neues Stadtquartier entstehen, auf dem Bahnhofsgelände selbst ein neues Rathaus mit Einkaufszentrum.
Vorerst wurde geplant die Straßenbahnverbindung vom neuen Hauptbahnhof zum alten sogar oberirdisch zu trassieren, später entschied man sich für einen Tunnel. Das war schick, bot oben noch mehr Entwicklungspotenzial und er war auch gerade so schön günstig zu bauen.




Also packte man die Gelegenheit am Schopfe und projektierte einen Tunnel. Am alten Bahnhofsgelände sollte ein unterirdischer Knotenpunkt entstehen, der es erlaubt hätte von allen Richtungen in alle Richtungen abzubiegen und zu wenden – eine klassische U-Strab eben. Das war in den 60er Jahren.











Im Sommer 1969 wurde der neue Hauptbahnhof mit seiner dazugehörigen U-Strab eröffnet. Die Strecke in Richtung des alten Bahnhofes wurde provisorische ans oberirdische Netz angeschlossen.




Im Jahr 1971 legte Walter Grabe ein neues Gutachten vor. Die Städte Mannheim und Ludwigshafen hatten die Hamburger Gutachter Pampel und Grabe bestellt gemeinsam jeweils ein Gutachten für die den künftigen Nahverkehr in jeder der Städte zu entwickeln.
Die Empfehlung lautete: Baut eine U-Stadtbahn. Doch die U-Strab-Anlagen passten nicht so recht in den U-Stadtbahn-Gedanken, doch die Stadt Ludwigshafen forderte eine Einbindung der fertigen und teilweise im Bau befindlichen U-Strab-Strecken in das Stadtbahnkonzept ein. So sollte für Ludwigshafen ein 38 km langes Netz empfohlen, von dem 30 km unter der Erde hätten liegen sollen.






In der Planung bekamen die Strecken Buchstaben zur Unterscheidung. Für die eher tangential verlaufende Strecke zwischen altem und neuem Bahnhof war eine Einführung in die obere Ebene des Knotenpunktes nicht mehr möglich.








Es wurde daher ein Turmbahnhof geplant und diese Strecke nach Norden hin durchgebunden. Begründet hat man dies mit den Berufspendlern zur BASF. Zwar stufte auch der Gutachter diese Strecke als unwichtigste und als einen eher politischen Wunsch ein, doch da gerade schon ein großes Loch da war, baute man sie gleich mit. Diese Strecke wurde als C-Strecke geplant, womit der Tunnel auch zum Namen „C-Tunnel“ kam. Von der Anlage als Kreuzungsfreie Strecke war es so nicht möglich vom C-Tunnel in die Innenstadt oder nach Mannheim zu kommen. Die Dürkheimer Strecke wurde mit einem niveaugleichen Abzweig vorm Hauptbahnhof „provisorisch“ für die RHB-Pendlerzüge angebunden. Später sollten diese über den Tunnel Hauptbahnhof – Amtsstr. – Rathaus fahren. Dieses Provisorium hielt bis zum Schluss.






Für das neue Stadtbahnnetz wurde eine meterspurige Ausführung des Frankfurter U2-Wagens in 2,5 m breiter Ausführung vorgesehen. Die bisherigen Tunnels und die 1971 im Bau befindlichen Teile des C-Tunnels waren auf eine maximale Fahrzeugbreite von 2,35 m ausgelegt, was auch in den neueren Tunnels das enge Profil erklärt. Da die angestrebten 2,65 m (die das Land BaWü in MA für den Dalbergtunnel einforderte!) waren somit utopisch. 2,5 m breite Fahrzeuge erschienen den Planern als „gerade noch machbar“. Vorerst war noch ein Vorlaufbetrieb mit Straßenbahnen vorgesehen, später sollten die Bahnsteige auf 90 cm Höhe angehoben werden, was auch heute noch an den Vorleistungen an den Haltestellen Rathaus und Danziger Platz gut zu erkennen ist.

Im Herbst 1975 wurde die B-Ebene der heutigen Haltestelle Rathaus in Betrieb genommen, jedoch noch unter dem Namen „Hauptpost“, da das Rathaus darüber erst 1979 fertig wurde.
Im September 1976 ging dann auch der C-Tunnel feierlich in Betrieb, mit Oberbürgermeister Ludwig und einem der Achtachser, die die Strecke 28 Jahre später verabschiedeten.












Ein Kuriosum am Rande: Nach dem GAU in Tschernobyl 1986 bekamen auch die Filtermatten der Klimaanlage im Rathaus-Center ein wenig Kontamination ab. Diese wurden in einer Tunnelnische auf Höhe des ehemaligen Gleiswechsels im C-Tunnel „sicher“ endgelagert.







Fortan verkehrte hier die Linie 8/28, die im 12(Winter)- bzw. 15(Sommer)-Minuten-Takt. An Samstagen verkehrte sie alle 20 und an Sonntagen alle 30 Minuten. Ab der Liniennetzreform 1985 fuhr hier die Linie 48, ab 1995 die 12. 2000 wurde der Wochenendverkehr vollständig eingestellt. Seit dem fuhr die aus Friesenheim kommende Linie 11 eine Schleife Von Friesenheim kommend via Rathaus(C) – Danziger Platz – Hbf - Südweststadion – Berliner Pl. – Rathaus (B) – Friesenheim. Diese wenig attraktive Führung gab dann der 11 den letzten Todesstoß, bis sie dann 2005 eingestellt wurde.










Satire pur





Mit Einstellung der Linie 12 am 12.12.2008 war der C-Tunnel nach nur 28 Jahren Betriebszeit wieder Geschichte.
Durch die tangentiale Führung und das sporadische Angebot war der Tunnel in seiner Existenz selbst eingefleischten ÖV-Nutzern oft gar nicht bekannt. Selbst mein ÖV-nutzender Vater, der am Carl-Bosch-Gymnasium direkt an der Baugrube Abi machte, kannte ihn nicht. Es ist die nicht bestätigte Anektdote überliefert, nach der die damalige OB Lohse bei der Diskussion des neuen ÖV-Konzepts im Gemeinderat nicht einmal wusste, dass es unter ihrem Rathaus sogar noch einen zweiten Tunnel gibt. Den Bau hatte ihre Mutter in ihrer Zeit als Stadträtin mitbeschlossen.







Es kann gut sein, dass ich jetzt die Hälfte unterschlagen habe oder das ein oder andere vielleicht nicht ganz durchsichtig ist. Es ist eben schwer ein Bauwerk aus einer komplexen Gesamtgeschichte herauszulösen.
Bei Gelegenheit schreibe ich mal das Buch, das ich über die Tunnelplanungen in MA und LU mit wissenschaftlichem Anspruch, das ich mir schon seit Jahren vorgenommen habe. Ich bin sicher, dass mein Co-Autor das hier jetzt liest und es mal schafft einen „Kick-Off-Termin“ in seinen Kalender einzutragen tongue out smiley


Weiteres zum Thema hier: [www.facebook.com]
Thema Autor Datum/Zeit

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Tw237 13. Dezember 2018 22:48



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