Ende September 2020 starteten vier Gesellen Ihre jährliche dreitägige Eisenbahnfahrt. Ja, ist schon einige Tage her, aber Körper-bedingt hatte ich in den vergangenen Wochen viel Zeit, Reiseberichte zu schreiben – besonders wenn sie, wie Dieser umfangreich sind und mehrere Teilen umfassen.
Nun aber zur Reiseschilderung:
Den letzten Teil möchte ich eigentlich dem
Brienzer See und dem Bahnhof
Interlaken West widmen, da auf dem Heimfahrt mit einem
ICE der
DB durch die Scheiben keine (oder ggf. nur schlechte) Bilder möglich sind.
Eigentlich bedauerlich, führt die Strecke doch landschaftlich schön am
Thunersee entlang. Eigentlich vermisse ich die zu öffnenden Fenster → wenn auch nicht unbedingt bei 200 km/h
.
Samstag war noch schönes Wetter angesagt. Als wir am späten Nachmittag von der
Kleinen Scheidegg zurück kamen, spazierte ein Teil unserer Gruppe vom Bahnhof
Interlaken Ost an der
Aare entlang zum
Brienzer See. Kurz nach der Stelle, an der die
Aare den See verlässt, liegt eine kleine Badebucht mit Bänken für ältere Herrschaften. Von Diesen aus hat man einen herrlichen Blick über den See.
Wie der Zufall es will, kam nach einiger Zeit der Schaufelraddampfer
Löschberg angefahren. Da er in der
Aare nicht wenden kann, fährt er rückwärts in den Fluss ein.
Wissenswertes:
Die
Lötschberg wurde 1914 von der Werft
Escher, Wyss & Cie in
Zürich für 410.000,-- SF gebaut. Seine Länge beträgt 56,5 m, die Breite 12,6 m. Bei einem Tiefgang von 1,45 m hat er eine Wasserverdrängung von 245 t. Mit 6 Mann Besatzung befördert der bis zu 800 Personen mit 13,5 kn (entspricht 24 km/h).
Nach nur neun Tagen Betrieb wurde er wegen des Ausbruchs des
Ersten Weltkrieges stillgelegt, danach fuhr er bis 1923 nur an zwei Tagen der Woche. Im
2. Weltkrieg konnte er lediglich an schönen Sonntagen mit Holz beheizt (anstatt mit Steinkohle) verkehren.
Es ist das einzige
Dampfschiff, dass heute auf dem
Brienzer See fährt, 1968 wurde der Treibstoff auf Heizöl umgestellt. Seine letzte umfangreichen Generalrevision im Winter 2000/2001 kostete vier Millionen Schweizer Franken.
Aber zurück zum Heute: Über dem Raddampfer ist übrigens die Strecke der
Zentralbahn nach
Meiringen zu sehen.
Vom Weg an der
Aare entlang erreicht der geneigte Spaziergänger durch eine Unterführung direkt die Bahnsteige des Bahnhofs
Interlaken Ost, einer erinnert ein bisschen an
Harry Potter – zwischen Gleis 1 und 10 müsste ja Gleis 9¾ ja nicht weit sein.
Aufgefallen sind mir auch die unterschiedliche Kennzeichnung der Streckenenden. Das Signalbild „Decken von Hindernissen“ ist wohl gleichzusetzen mit der in
Deutschland verwendeten
Sh2 Tafel. Wobei ein Stumpfgleis in der
Schweiz als „Gleisabschluss“ bezeichnet wird. Gemäß Dienstvorschrift ist in der Nacht einfach ein rotes Licht zusätzlich zur Tafel zu verwenden.
Offenbar ist dessen Ausführung nicht einheitlich geregelt → siehe Bild der Gleisenden der
Berner-Oberland-Bahn:
Und der der
Zentralbahn:
Wissenswertes:
Von
Thun her erreicht seit 01. Juli 1874 die Strecke der ehemaligen
Bödelibahn über die 83 m lange
Obere Aarebrücke den damalige Durchgangsbahnhof, damals als
Interlaken Zollhaus eröffnet, die Strecke führte weiter nach
Bönigen am
Brienzer See. Dort konnten/mussten die Fahrgäste zur Weiterfahrt nach
Brienz auf die Schiffe umsteigen.
Nachdem die
Brünigbahn ihre Strecke am 23. August 1916 bis
Interlaken Ost verlängert hatte, verlor die Verbindung nach
Bönigen stark an Bedeutung. Im Jahr 1969 wurde der Personenverkehr eingestellt die Zufahrt zur Betriebswerkstätte der
BLS blieb jedoch als Industriegleisanlage bis heute bestehen, der Rest wurde abgebaut.
Zwischendurch ein Bild des schönen alten Bahnhofsgebäudes von dem modern gestalteten Vorplatz aus. Mittendrin steht ein alter Vorstellwagen der Jungfraubahn, wohl zu Werbezwecken (oder ggf. um diese Betonwüste etwas aufzuwerten). Das modern gestaltete Umfeld entspricht etwas weniger meinem Geschmack → oder aber meinen Vorstellungen eines
Schweizer Gebirgsdorfes.
Die meisten Touristen werden diesen Anblick eh nicht so sehen, dreht es sich wohl meist nur darum möglichst schnell den Gipfel der
Jungfrau zu erreichen – dort ein paar Fotos – und weiter zum nächsten Besichtigungspunkt irgendwo in
Europa.
Der Bahnhof wird heute von fünf Bahngesellschaften bedient: Im Bereich der Meterspur von der
Berner-Oberland-Bahn (BOB – Betreiber des Bahnhofes) und der
Zentralbahn (zb). Die Gleise 5 bis 8 sind in Regelspur ausgeführt, auf ihnen verkehren die Züge der
Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), der
Lötschbergbahn (BLS) und der
Deutsche Bahn AG (DB). Gelesen hatte ich irgendwo, dass die
DB ihre Züge auf dem
Schweizer Abschnitt gemeinsam mit den
SBB betreibt. Ob dies so ist, oder ob sie im Auftrag der
SBB verkehren → hierzu müsste unser „Vereinsweihnachtsmann“ (bitte nicht als Beleidigung sehen) näheres wissen.
Der auf dem Bild zu sehende Doppelstocktriebwagen ist ein vierteiliger
KISS des Herstellers
Stadler, die
BLS bezeichnen ihn als
RABe 515: Baujahr(e): 2010 bis 2016; Achsformel: Bo’Bo’+2’2’+2’2’+Bo’Bo’; Länge: 100,36 m; Gewicht: 211,9 t; Vmax: 160 km/h; Leistung: 6.000 kW
Ähnliche Triebwagen verkehren unter anderem in
Deutschland bei der
Ostdeutschen Eisenbahn (ODEG), der
Westfalenbahn, sowie bei der
DB Regio in
Schleswig-Holstein.
Die im Bild zu sehende
Re 4/4 trägt anstelle des ursprünglichen schokoladenbraun die heute aktuellen Unternehmensfarben der
BLS. Die 35 Maschinen des Herstellers
SLM wurden ab 1964 gebaut: Achsformel: Bo’Bo'; Länge: 15,10 m bzw. 15,47 m Länge: Gewicht: 80 t; Vmax: 140 km/h; Leistung: 4980 kW (6770 PS)
Als Vertreterin der
SBB konnte ich eine der 119
Re 460 ablichten; Hersteller:
SLM, ABB; Baujahr(e): 1991–1996; Achsformel: Bo'Bo'; Länge: 18,50 m; Gewicht: 84,0 t; Vmax: 200 km/h; Leistung: 6100 kW.
18 weitere Lokomotiven diese Baureihe verkehren mit abgeänderter Technik als
Re 465 bei der
BLS.
Beenden möchte ich die Schilderung meiner Reiseerlebnisse Bahn untypisch, jedoch mit ÖPNV-Bezug: Anstelle des allgegenwärtigen
ICE, der uns direkt nach
Mannheim brachte entdeckte ich kurz vor der Abfahrt im Bahnhofsumfeld das letzte echte
„Schweizer Postauto“, einen ganz aus einheimischer Produktion gefertigten
Sauer RH 525-23: Hersteller der Karosserie:
Ramseier+Jenzer Biel; Baujahr: 1984; Leistung: 250 PS; Vmax: 100 km/h; Sitzplätze: 45; Länge: 10.83 m; Breite: 2.30 m.
Dass ich den
ICE als „Alltägliches Fahrzeug“ fotografisch ignoriert habe, bereue ich in etlichen Jahren bestimmt einmal. Aber bis dahin bleibt ja noch etwas Zeit
.
Fazit:
Es waren sehr erlebnisreiche und tolle Tage, war eine gute Idee dort hin zu fahren.
Ich denke, dass ich eine Fahrt mit der
Lötschberg auf meine „Tu-Du-Liste“ setze. Auf jeden Fall ein Grund wiederzukommen (zumindest mal für mich). Die
Griessbachfälle, die mit dem Dampfschiff erreicht werden können, will ich auf jeden Fall einmal sehen.
Zitat
Linie 6 Zentralfriedhof
Zuletzt war ich mit meiner Schwester 2008, auf dem Weg nach Grindelwald,
am Brienzer See (mit Kaffeepause auf der Terrasse des "Grandhotel Giessbach"), die Bahnfahrt zum Rothorn fand 1992 mit einer Schulfreundin statt.
Die von Dir empfohlene Kaffeepause auf der Terrasse des Grandhotel
Giessbach werde ich auf jeden Fall einlegen – kombiniert mit einer Fahrt mit der ältesten
Standseilbahn der
Schweiz (eben der
Griessbachbahn) sicherlich ein Erlebnis. Ganz nebenbei könnte man die Aussicht vom
Brienzer Rothorn auch mal ohne Nebel genießen.
Zitat
Lokleitung
Und der Wegweiser ist ja schön, aber Heidelberg und Maxdorf fehlen
Und nicht zu vergessen → die 2 fehlenden Wegweiser müssten noch angebracht werden
.
Wenn ich so darüber nachdenke, fallen mir noch mehrere Aktivitäten dort ein – aber, wie sagte vor einiger Zeit ein bekannter Fußballer: „Schau mer mal“.
Zum Schluss hoffe ich, dass meine Schilderungen interessant, kurzweilig und informativ waren.
Und wenn nicht – is` halt so → ich zumindest kann damit leben.
Salü Erhard
P.S.: Das Reiseziel der Vier für das nächste Jahr wurde (gedanklich) bereits geplant –
ich freue mich auf jeden Fall mal schon heute darauf.