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Der Lokleitung-Adventskalender, Türchen 19 (1514 Klicks)

19. Dezember 2020 22:21
Hallo zum Türchen neunzehn unseres Adventska-Länder-s.


Heute bereisen wir Frankreich, das Land der des Erbfeindes - ach nee, das ist ja vorbei.

Ich fange nochmal an, also es geht in das Land der schnellen Züge, zu deren Gunsten man die Eisenbahn in der Fläche an vielen Stellen verkommen lässt und wo Taktverkehr ein absolutes Fremdwort ist; wo man den Güterverkehr eher kaputtgehen lässt als ihn privaten Betreibern zu überlassen, aber auch das Land der modernen Straßenbahnsysteme und zahlreicher Versuche, irgendetwas zu bauen, das wie eine Straßenbahn ist, nur Anders(ter).
Wo Mireille Mathieu und Karl Ascheimer Charles Aznavour leb(t)en, und Louis de Funés, Astérix und Obélix, Joe Dassin, France Gall, Mireille Darc, Charlotte Gainsbourg und der Meister Jean-Michel Jarre, und wo man seit Jahrzehnten eine extrem spannende Fernsehsendung produziert, die übersetzt einfach nur Zahlen und Buchstaben heißen würde, in der man Leuten beim Schreiben und Rechnen zusehen kann. Ein Land, in dem es keine Geodreicke oder Heftstreifen gibt und wo man Eier vor dem Kochen nicht anpiekst. Und wo man eigentlich nie etwas verkehrt macht, wenn man das Tagesmenü bestellt.


Ich bin sehr oft und gerne dort, Frankreich liegt ja auch sehr nah. Oder, wie ein Amerikaner mal schrieb, muss man, wenn man sich am Bahnhof Bad Dürkheim befindet, eigentlich nur noch die Grenze überschreiten.




Wir beginnen im Jahr 1980, in Forbach hat die BB 16723 einen offenbar osteuropäischen Wagen vom Typ UIC-Y am Haken. Von der großen Baureihenfamilie der "BB Alsthom" gab es 652 Loks, davon waren die BB 16500 für den Einsatz unter Wechselstrom die größte Gruppe. Außerdem gab es 146 BB 8500 (Gleichstrom, einige davon wurden zu BB 88500 oder BB 8700 umgebaut), 105 BB 17000 (Wechselstrom mit höherer Leistung als die BB 16500), 13 BB 20200 (Zweisystem-Wechselstrom für den Verkehr zwischen Frankreich und der Schweiz) und 194 BB 25500 (Zweisystem Gleich- und Wechselstrom für beide französische Systeme), siehe auch das letzte Bild dieses Beitrages:






Am 25. Juni 1986 überquert eine Caravelle-Doppeltraktion die deutsch-französische Grenze zwischen Saarbrücken und Stiring-Wendel:






Noch ein Bild aus Deutschland, alles hier ist längst vorbei: Die CC 14133 ist eine von 122 sechsachsigen "Bügeleisen", die ab 1954 an die SNCF geliefert wurden. Während die zwanzig CC 14000 schon 1981 alle ausgemustert waren, blieben einzelne CC 14100 noch bis 1997 im Dienst - und das trotz ihrer geringen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Vom Grenzbahnhof Überherrn, dessen Gütergleise jeweils bis zur Mitte französisch bzw. deutsch elektrifiziert waren, fährt der Zug nach Hargarten-Falck an die Strecke Thionville-Forbach. Rechts ein deutscher Wendezug mit einer Saarbrücker 140, er pendelte nach Völklingen. in den 1960er Jahren war die Strecke Völklingen - Überherrn auf das französische Stromsystem umschaltbar, um Erfahrungen mit den ersten Zweisystemloks zu gewinnen. Nach Einstellung des Personenverkehrs wurde 1995 die Fahrleitung abgebaut, mittlerweile ist auch der gesamte Güterverkehr zum Erliegen gekommen. 25. Juni 1986:






Am 26. Juni 1986 war die A1AA1A 62098 im Bahnhof Apach im Einsatz. Einhundert dieser Loks lieferte Baldwin aus den USA ab 1946 als Wiederaufbauhilfe nach dem zweiten weltkrieg an Frankreich. Die letzten Loks wurden bis 1994 ausgemustert:






Strasbourg war über viele Jahre das Heimat-Depôt für die 65 Loks der Baureihe BB 15000, den Loks, denen man wegen ihrer Bauform den Beinamen "Nez-cassés" ("Gebrochene Nasen") gegeben hat. BB 15061 ist mit dem Wappen "Sarrebourg" dekoriert. und wartet am 26. Juni 1986 im Bahnhof Thionville mit einem internationalen Zug mit zahlreichen italienischen Wagen auf die Weiterfahrt in Richtung Luxemburg. Achtzehn Loks dieser Reihe sind schon ausgemustert, der Rest (so auch die 15061) ist noch in der Normandie und Picardie im Einsatz






Gleicher Tag, gleicher Bahnhof - die BB 12075 repräsentiert eine der beiden vierachsigen "Bügeleisen"-Baureihen der SNCF. 148 Stück wurden ab 1954 gebaut und bis Ende 1999 ausgemustert. Im Gegensatz zu ihren sechsachsigen Schwesterloks waren sie mit 140 km/h über doppelt so schnell:






Dritte Baureihe im Bunde waren die 53 Loks der Baureihe BB 13000, die zwischen 1954 und 1961 gebaut und bis 1994 ausgemustert wurden. Die verschiedenen Bauarten der Mittelführerstandsloks erklären sich damit, dass damals das 50-Hertz-Wechselstromsystem völlig neu war, und man mit unterschiedlichen Antriebskonzepten Erfahrungen gewinnen wollte. Die erste Serie der BB 13000 war 105 km/h schnell, bei der zweiten konnte die Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h gesteigert werden. Am 23. August 1988 durchfährt die BB 13019 den aufgelassenen Bahnhof Hettange-Grande:






Kleinloks hat die SNCF natürlich auch. unsere Nachbarn nenne sie "Locotracteurs" Die Y 6412 ist eine von 227 Loks ihrer Bauart und war im Jahr 1990 schon ein eher seltenes Stück. Aufgenommen am 30.April 1990 in Sarreguemines:






Im Elsass fuhr die SNCF noch lange nach Signalen der Reichsbahnbauart - heute dürften die letzten davon im Bahnhof Lauterbourg zu finden sein. Am 24. September 1991 gab es sie auch noch in Haguenau , wo die BB 64513 mit zwei RRR-Garnituren im roten "Alsace"-Lack südwärts ausfährt. Obwohl sich die Anzahl der ursprünglich 232 Loks der Reihe BB 67400 stetig reduziert, ist die 1972 gebaute BB 67513 heute noch für die Infrastruktursparte der SNCF im Einsatz:






Am 6. Mai 1992 war der Bahnhof Hettange-Grande längst für den Personenverkehr aufgelassen. und die Bahnsteige entfernt. Man konnte gemütlich picknicken und ab und zu mal einen Zug fotografieren. Heute hat sich die Szenerie völlig verändert. auf Initiative Luxemburgs hat man den Bahnhof mit neuen Bahnsteigen versehen und dort, wo man 1992 noch als Fotograf stehen konnte, befindet sich ein riesiger Park+Ride-Platz. Die Doppelstocktriebwagen auf dem "Sillon Lorrain" Luxemburg - Thionville - Metz - Nancy halten nun hier regelmäßig und die Parkplätze werden bis auf den letzten Platz von Pendlern genutzt. Damals gab es zwischen Luxemburg und Thionville noch Schnellzüge, wie den von der BB 15024 bespannten Zug aus belgischen Wagen. Die 1975 gebaute BB 15024 wurde am 11. Dezember 2017 ausgemustert und hat in ihrem Leben 10.226.333 Kilometer zurückgelegt:






Am gleichen Tag im Bahnhof Thionville. Die BB 26010 (mit dem Wappen "Vallorbe") war erst zwei Jahre alt, ihre Baureihe befand sich noch in der Lieferung und sollte das Ende für viele ältere Elloks bedeuten. Heute sind von den 234 BB 26000 schon 63 Stück ausgemustert:






Kommen wir zum ÖPNV. In zahlreichen Städten Frankreichs wurden seit den 1990er Jahren Straßenbahnsysteme neu aufgebaut. Die Bilder können natürlich nur Beispiele sein und ich zeige sie in der Reihenfolge der Aufnahme. Wagen 2014 der im Mai 2006 eröffneten Straßenbahn Mulhouse in hübschem Gelb, 26. Oktober 2006, Porte Jeune:






Das TVR-System in Nancy wurde 2001 mit einem Jahr Verspätung eröffnet. Der erwartete Fahrgastzuwachs ist eingetreten, aber die spurgeführten Oberleitungsbusse sind haben in technischer Hinsicht nie die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Die Spurführung ist nicht so sicher wie sie sein sollte und die Geschwindigkeit, besonders in Kurven, deutlich geringer als vom Hersteller Bombardier versprochen. Alle Weichen und Überholspuren hat man aus Sicherheitsgründen entfernt oder geht in diesen Bereichen auf gelenkten Betrieb über. Nachdem Bombardier das System nicht mehr anbietet wollte man die 25 Fahrzeuge eigentlich für den weiteren Einsatz grundüberholen wollte, hat man 2018 beschlossen, das System aufzugeben und bis 2023 eine "normale" Straßenbahn aufzubauen. Das TVR-System wird voraussichtlich 2021/22 stillgelegt, um dem Umbau Platz zu machen: TVR 19, 26. April 2011:






Ein absolutes Erfolgsmodell ist auch die 1994 eröffnete Straßenbahn in Strasbourg, wo mittlerweile 103 Fahrzeuge dreier Typen auf sechs Linien verkehren und pro Jahr 78 Millionen Fahrgäste befördert werden. Siebenteilige Eurotram am 18. Juli 2011:






Auch in Paris wurden einige neue Straßenbahnlinien gebaut, die Linie T3 verkehrt im Süden der Stadt und wurde im Jahr 2006 eröffnet. Wagen 306, Porte d'Orleans, 22. Juli 2011:






Die Metro Paris ist natürlich deutlich älter Zug vom Typ MF01 am 22. Juli 2011:






Die Straßenbahn Toulouse wurde im Dezember 2010 eröffnet. Wagen 5022 am 3. Juli 2012 an der damaligen Endstation Arènes:






Anstatt neuer Straßenbahnnetze hat man mancherorts auch BHNS-Systeme neu aufgebaut. Die Abkürzung steht für "Bus á Haut Niveau de Service" - Bus auf hohem Serviceniveau. Wobei "Service" in der französischen Sprache durchaus auch ïm Sinne von "Takt" oder "Bedienungshäufigkeit" stehen kann. Denn sooo viel doller als normale Busse sind die meist doppelgelenkigen Busse in der Regel auch nicht. Auch in Nancy hat man nach der Pleite mit dem TVR-System zwei neue Linien als BHNS-Linien aufgebaut.
In Metz nennt sich das BHNS-System "Mettis" (nicht verwandt oder verschwägert mit dem Mettigel). Bunte Doppelgelenkbusse gibt es auf zwei Linien. 7.März 2020, Metz Hbf:






Die runden "Jaquemins" standen jahrelang für gutes französisches Design. Die letzten waren die ab 1967 gebauten vierzig Loks der Reihe BB 9300, die bis 2013 beim Depot Toulouse im Einsatz standen. Die BB 9326 war eine der letzten und eine von nur zwei Loks dieser Reihe, die ursprünglich ein Wappen trugen (das von Montrabé, welches bei der Umlackierung in die "en Voyage"-Lackierung wohl entfernt wurde). Am 2. Juli 2012 war sie südlich von Paris bei Artenay unterwegs; am 13. Dezember des gleichen Jahres wurde sie abgestellt:






Die Einsätze der CC 72100 im Fernverkehr zwischen Paris Est, Belfort und Mulhouse wurden im Jahr 2017 beendet. Am 30 März 2017 war ich noch entlang der Ligne 4 unterwegs und habe die CC 72140 aufgenommen. Sie wurde im Oktober 2017 nach 7.482.806 Laufkilometern ausgemustert:






Ebenfalls 2017 habe ich noch einmal die im Pariser Vorortverkehr eingesetzten Triebwagen der Bauart Z 5300 besucht. Am Morgen des 19. Oktober 2017 hält an der Station Coudray Montceaux der 1972 in Betrieb genommene Z 5366. Bis Ende 2018 waren alle Züge dieser Bauart ausgemustert:






Auf meiner Rückfahrt von Paris zeigt sich der Wendezug mit BB 67539 am 20. Oktober 2017 auf der Brücke über die Marne zwischen Meaux und Trilport:






Wir beenden diesen Teil wie wir ihn begonnen haben, mit einer Danseuse. Jahrelang waren Loks dieser Bauart in Strasbourg beheimatet, in den zurückliegenden drei Jahren waren die zehn elsässischen BB 25500 die letzten Danseuses der SNCF. Der Sommerfahrplan 2020 war der letzte, der planmäßige Einsätze für diese Loks vorgesehen hatte - mittlerweile sind bis auf zwei Loks alle aus dem Bestand ausgeschieden. Auch die abgebildete BB 25657 musste Ende September 2020 den Dienst quittieren. Hochfelden, 6. Juni 2019:


Mit freundlichen Grüßen
Ralph Dißinger a.k.a. Lokleitung




4-mal bearbeitet. Zuletzt am 20.12.20 09:25.
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Lokleitung 19. Dezember 2020 22:21

Re: Der Lokleitung-Adventskalender, Türchen 19 (532 Klicks)

jockeli 21. Dezember 2020 02:06

Re: Der Lokleitung-Adventskalender, Türchen 19 (475 Klicks)

Lokleitung 21. Dezember 2020 08:52



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