Tortenschachtel, Außen- und Innenaufnahmen (1711 Klicks)

Hallo Forum,

am 7. Juli 2013 war ich mal wieder zu Besuch in Ludwigshafen. Angesichts der leerstehenden Tortenschachtel schwante mir schon damals nichts Gutes, also drehte ich eine Runde mit der Kamera um dieses einst so stolze Kaufhaus mit seiner wunderbar konsequent modernistischen Architektur. Leider hatte ich nur eine minderwertige Kompaktknipse zur Hand, bin aber jetzt sehr froh, doch so viele Bilder gemacht zu haben.

Zuerst ein paar Außenaufnahmen, auf denen sich auch ganz solidarisch ein grüner VBLu-Bus dazugesellt:



Die vollverglaste Fassadengestaltung mit den grünen Kacheln auf verschieden großen Rechtecken war typisch für alle Kaufhöfe der Wirtschaftswunderjahre, die entweder neu gebaut oder umfassend modernisiert wurden. In der Rheinpfalz war neulich ein kleiner Artikel über den langjährigen Hausarchitekten von Kaufhof, der dieses Gestaltungsmuster erfunden und dann jeweils an die örtlichen Gegebenheiten angepaßt hat. Auch das in den 30er Jahren im Bauhaus-Stil gebaute ehemalige Kaufhaus Tietz auf der anderen Straßenseite, in dem heute die Kreissparkasse residiert, wurde in der Nachkriegszeit mit einer ähnlichen Fassade wie die Tortenschachtel ausgestattet und über einen Tunnel mit ebenjener verbunden.

In Landau dürfte noch ein Kaufhof mit gleichartiger Fassade stehen. Ansonsten sind mir spontan keine weiteren erhaltenen Gebäude in dieser Gestaltung bekannt (ich habe allerdings jetzt auch nicht groß recherchiert). So aus einem Guß wie in Ludwigshafen habe ich jedenfalls nirgendwo sonst ein Kaufhof-Haus gesehen.



Die weit überstehenden Obergeschosse hätten eigentlich das Potential, Straßengastronomie und nach außen gerichtete kleine Ladengeschäfte darunter zu beherbergen. Leider machte man kaum davon Gebrauch, weil damals ein Kaufhaus noch als ziemlich geschlossenes System gebaut wurde. Wenn da an jeder Ecke ein Eingang war, war das schon viel. Der Rest wurde mit Schaufenstern notdürftig aufgehübscht.



Der Karstadt-Rumpelmarkt hatte bereits die Segel gestrichen und einen verwaisten Eingang hinterlassen, während die Dönerbude nebenan sich noch an der Laufkundschaft von der Haltestelle erfreute:



Da ich das Innenleben dieses Hauses mindestens genauso spannend finde wie die äußere Gestaltung, versuchte ich natürlich auch ein paar Aufnahmen durch die Scheiben. Was auch besser klappte als befürchtet. Man mußte nur so dicht wie möglich herangehen und ein Halstuch ums Objektiv wickeln, um Spiegelungen zu vermeiden.

Wer sich hier wohl alles umgekleidet hat in den Kabinen über die Jahrzehnte? Doch halt - natürlich wurde der Innenraum mehrmals geändert. Anstelle der Umkleidekabinen war zu Kaufhalle-Zeiten beispielsweiese die Fotoabteilung. Und statt der weißen Decke gab es vorher eine abgehängte Decke aus quadratischen braunen Elementen.



Das zentrale Treppenhaus. Auch dieses war zuvor eher in dunkle Farben getaucht:



Mit Gegenlicht kommt schon fast schauderhafte Lost-Places-Stimmung auf:



Hier ging es hinauf. Die Rolltreppen fand ich schon als Kind uralt, als sie gerade mal 20-25 Jahre in Betrieb waren. Später wurde mir bewußt, welche Details das ausmachten: Die wirklich geringe Breite, die glatten Kanten der Stufen, die schräggestellten Innenbleche, sowie die vielen Zierringe an den Seiten.

Zu Kaufhalle-Zeiten waren die Seitenbleche rot. Vorher wahrscheinlich dunkelgrün:



Und nochmal eine andere Perspektive. Mein Vater ist als Bub mal extra zum Kaufhof gegangen, um die damals ersten Rolltreppen der Stadt probezufahren - das hatte sicher einen gewissen Erlebnisfaktor:



Auch eine Mitfahrt wert waren die Aufzüge, bei deren Außengestaltung richtig mit Messing geklotzt wurde:



Da war wohl schon ein Souvenirjäger unterwegs:



Der andere Aufzug hatte mehr Haltestellen. Was mich wundert ist das hier angezeigte 3. Obergeschoß. Über die Treppen im Verkaufsraum kam man nur bis zur 2. Etage, und von außen betrachtet sieht es auch nicht so aus, als gebe es noch eine mehr:



Und hier war die einst gut bescuhte Plattenabteilung:



Eine kleine Spiegelung zum Abschied, um langsam wieder aus dem OT zurückzukommen:



Denn eigentlich wartete ich an dem Tag ja auf ein ganz anderes Ereignis, das Ihr anhand des folgenden Bildes sicher erraten könnt:



Wie ein paar Beiträge weiter unten schon geschrieben - ich hätte mir für das tolle Haus eine bessere Zukunft gewünscht. Die wäre mit den richtigen Mietern garnicht mal so unrealistisch. Noch in den 90er Jahren, als bereits das große Kaufhaussterben begonnen hatte, war die Kaufhalle laut irgendeines lokalen Einzelhandelsvertreters "das Geschäft in Ludwigshafen, das am besten brummt." Der Kardinalfehler der Metro-Gruppe war, sich partout auf das schickere Premium-Segment beschränken zu wollen, womit man gerade in LU komplett an der zahlreich vorhandenen Kundschaft vorbeiplante. Es folgte der Verkauf und die Umwandlung in einen unglücklichen Multistore, der Kaufhalle-Qualität zu Kaufhof-Preisen verkaufen wollte, was natürlich auch nicht funktionieren konnte.

Viele Grüße,
Martin



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 10.05.14 00:16.