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ÖPNV in Heidelberg immer langsamer ! (1778 Klicks)

26. April 2019 15:00
VCD-Studie [bw.vcd.org] :

ÖPNV in Heidelberg ist langsamer geworden

Busse und Bahnen in Heidelberg brauchen länger als vor 10 Jahren

VCD regt die Rückforderung von Fördergeldern an



Das Land fördert mit jährlich über 150 Mio € Maßnahmen aus dem Bundes- und Landes-GVFG zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs.
Gegenstand ist hierbei auch die Beschleunigung im ÖPNV, denn es ist anerkannt, dass kürzere Fahrzeiten und eine pünktlichere Betriebsführung den Nahverkehr attraktiver machen.
Zudem ist sie auch besonders effizient, weil sie hilft, Personal- und Fahrzeugkosten einzusparen.
Schließlich ist ernsthafte ÖPNV-Beschleunigung ein guter Gradmesser für die Frage, wie ernst es eine Kommune mit „Vorfahrt für den Nahverkehr“ tatsächlich meint.

Auch in Heidelberg wurden zahlreiche Projekte als ÖPNV-Beschleunigung verkauft.
Sie wurden durchweg vom Land gefördert; inwieweit sie explizit auch für die Beschleunigung gefördert wurden, entzieht sich unserer Kenntnis. Allerdings ist bei der Standardisierten Bewertung die unterstellte Reisezeit ein ganz wesentlicher Hebel.

Zu nennen sind folgende Projekte
- Neue Straßenbahn (Linie 26) nach Kirchheim
- Sanierung und Umbau Straßenbahn Neuenheim – Handschuhsheim (Brückenstraße – Steubenstraße – Rottmansstraße)
- Sanierung und Baum Straßenbahn Südstadt – Rohrbach (Rohrbacher Straße – Karlsruher Straße)

Bedauerlicherweise haben alle diese „Beschleunigungsmaßnahmen“ das Gegenteil bewirkt. Der Nahverkehr in Heidelberg ist entschleunigt,
und auf praktisch allen Linien ist die Fahrzeit in den letzten 20 Jahren länger geworden :



Dabei hat das Verkehrsaufkommen im MIV in Heidelberg trotz Einwohnerzuwachs nicht zugenommen.
Vielmehr stieg die Fahrradverkehr deutlich, währen der ÖPNV trotz neuer Straßenbahnstrecken seit Ende der 90er Jahre auf dem bisherigen Niveau der Fahrgastzahlen dümpelt.

Der letzte große Schub für mehr Fahrgäste waren die attraktiven Jahreskarten des VRN
(Semesterticket. MAXX-Ticket, Karte ab 60 und das Jobticket).

Die Gründe für das Versagen der Bevorrechtigungsstrategien liegen u.E. in einer überzogenen Technisierung und Überregulierung im Verkehr :
- Fußgängerüberwege wurden durchweg vollsignalisiert, anstatt Blinklicht oder auch nur Z-Gitter zu verwenden
- Abbiegemöglichkeiten (v.a. Kfz) wurden nicht nur nicht reduziert, sondern ausgeweitet. Gerade flüssige Verkehrsgestaltung setzt im Kontext mit ÖPNV-Bevorrechtigung auf Reduktion der Abbiegemöglichkeiten und mehr indirekte Verkehrsführung
- Zahlreiche Konfliktpunkte (z.B. Hofausfahrten) wurden signalisiert

Verschärft wird die Problematik durch vielfach nicht einwandfrei funktionsfähige Ampelansteuerungen und weitgehend Verzicht auf Vorsignale in Heidelberg (im Gegensatz zu Mannheim).

Ein weiterer wesentlicher Grund ist, dass die Vorrangschaltungen durchweg nur als Phasenverlängerungen ausgestaltet sind, in keinem Fall gibt es einen absoluten Vorrang. Im Gegenteil, ein solcher wurde z.B. am Adenauerplatz abgeschafft. Andere Schaltungen gewähren zwar Vorrang, aber ihr Anmeldepunkt liegt viel zu spät, so dass die Bahnen immer zum (unnötigen) Stillstand kommen (Karl-Metz-Straße Ri. Bergheimer Str.).

Hinzu kommt, dass an Verzweigungspunkten die richtige Detektion der Fahrzeugreihenfolge und ihrer Fahrtrichtung unzureichend ist.

All diese Probleme waren bereits bei der Planung erkennbar. Zwar wurde sicherlich nicht die Planung darauf ausgerichtet, den Nahverkehr zu entschleunigen, aber der Jurist würde sagen „dolus eventualis“ : Vorsätzliches Handeln, dass die Tatfolge billigend in Kauf nimmt.

Bei den ÖPNV-Projekten in Heidelberg ging es um Vieles, aber nicht um Beschleunigung.
Barrierefreie Gestaltung und Umfeldverbesserungen von Haltestellen mögen sicherlich noch im Förderinteresse des ÖPNV liegen.
Dagegen sind vermeintlicher Gewinn von Verkehrssicherheit durch mehr Ampeln oder Schaffung neuer Abbiegebeziehungen und Querungsmöglichkeiten für den Kfz-Verkehr sicherlich kein aus ÖPNV-Mitteln zu fördernder Gegenstand.

Vor diesem Hintergrund hat der VCD den Landesumweltminister gebeten, die Rückforderung von Zuschüssen an die Stadt Heidelberg respektive HSB/RNV intensiv zu prüfen. Denn der Missbrauch von ÖPNV-Fördergeldern hat System, möglicherweise nicht nur in Heidelberg.

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Dazu auch ein Bericht in der heutigen Rhein-Neckar-Zeitung [www.rnz.de] :

Busse und Bahnen werden immer langsamer - So eine Studie des Verkehrsclubs
Zu viele Ampeln bremsen den Nahverkehr aus - Stadt und RNV widersprechen


Änderungen bei Fahrzeiten in Heidelberg 1994/2019 :

> Bismarckplatz - Blumenthalstraße-West 1994: 12 Minuten / 2019: 13 Minuten (1994: Straßenbahnlinie 1 / 2019: Linie 21)

> Bismarckplatz - Eppelheim 1994: 17 Minuten / 2019: 20 Minuten (1994: Straßenbahnlinie 2 / 2019: Linie 22 mit neuem Fahrtweg)

> Handschuhsheim - Leimen 1994: 37 Minuten / 2019: 38 Minuten (1994: Straßenbahnlinie 3 / 2019: Linie 3)

> Blumenthalstraße - Rohrbach-Süd 1994: 23 Minuten / 2019: 25 Minuten (1994: Straßenbahnlinie 4 / 1994: Linie 24)

> Rundfahrt Heidelberg_Weinheim_Mannheim 1994: 114 Minuten / 2019: 129 Minuten (1994: OEG / 2019: Straßenbahnlinie 5)

> Bismarckplatz - Königstuhl 1994: 25 Minuten / 2019: 28 Minuten (1994: Buslinie 21 / 2019: Linie 39)

> Bismarckplatz - Kirchheim-Rathaus 1994: 18 Minuten / 2019: 18,5 Minuten (1994: Buslinien 41 und 42 / 2019: Straßenbahnlinie 26)

> Rohrbach-Gewerbegebiet - Emmertsgrund 1994: 15 Minuten / 2019: 14,5 Minuten (1994: Buslinie 31 / 2019: Linie 27)

> Bismarckplatz - Boxberg 1994: 23 Minuten / 2019: 25 Minuten (Buslinie 29)

> Studentenwohnheim Neuenheimer Feld - Uniplatz 1994: 19,5 Minuten / 2019: 21,5 Minuten (1994: Buslinie 12 / 2019: Linie 31)

> Jugendherberge - Bismarckplatz 1994: 12,5 Minuten / 2019: 17 Minuten (1994: Buslinie 33 / 2019: Linie 32)

> Hauptbahnhof - Ziegelhausen-Köpfel 1994: 36,5 Minuten / 2019: 44,5 Minuten (Buslinie 33)

> Rohrbach-Freiburger-Straße - Karlstor 1994: 42,5 Minuten / 2019: 44 Minuten (1994: Buslinie 11 / 2019: Linie 33)

> Pfaffengrund-Schützenstraße - Wieblingen-Mitte 1994: 14 Minuten / 2019: 14 Minuten (1994: Buslinien 26 und 27 / 2019: Linie 34)

> Wieblingen-Evangelische Kirche - Peterstal 1994: 40,5 Minuten/2019: 44,5 Minuten (Buslinie 34)

> Wieblingen - Neckargemünd 1994: 45,5 Minuten / 2019: 51,5 Minuten (Buslinie 35)

> Sportzentrum-Nord - Bunsengymnasium 1994: 8,5 Minuten / 2019: 10,5 Minuten (1994: Buslinie 12 / 2019: Linie 37)

> Gesamtzeit 1994: 503,5 Minuten / 2019: 558,5 Minuten (+10,9 Prozent)

Anmerkung :
Fahrzeiten Stand März 2019 im Vergleich zum Fahrplan 1994/95 jeweils Hin- und Rückrichtung, ohne explizite Baustellenzuschläge
(aktuelle Fahrzeitverlängerung bei den Linien 22, 26 und 32).

Ein paar Kommentare dazu :

Die normale Rundfahrzeit der OEG beträgt ohne die Baustelle in Weinheim 140 Minuten, tagsüber. Die Pufferzeiten sind einfach notwendig um etwaige Verspätungen auf der Runde abzubauen, das dürfte wohl jedem klar sein. Anders sind Unregelmäßigkeiten auf einem Kreisverkehr ohne richtige "Endstellen" und mit dem Irrsinn im "Schwarzen Loch" (= OEG interne Bezeichnung für Heidelberg) nicht auszugleichen.
Wo eine Verkürzung der Rundfahrzeit bzw. eine Streichung der Pufferzeiten hinführt, hat man ja vor einigen Jahren erlebt, als mit der RNV auch der Sparwahn losbrach und die Rundenzeit um 10 Minuten gekürzt wurde, tagsüber. Deswegen: Lieber 5 Minuten zum Beispiel in Edingen herumstehen und dafür pünktlich weiterkommen als planlos und verspätet durch die Gegend hetzen. Dem Fahrpersonal, welches von vielen ÖPNV-Nutzern ja leider nur allzu gerne als leibeigen angesehen wird, tut das auch gut, mal ein wenig durchatmen zu können.
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Man muss in dieser Diskussion mehrere Faktoren berücksichtigen. In Mannheim klappt es mit der Straßenbahn vor allem Dingen besser, weil hier die Straßenbahn viel mehr auf besonderem Bahnkörper, unabhängig vom Autoverkehr, fahren kann. In Heidelberg sind viel mehr Trassen straßenbündig gebaut, die mit dem Individualverkehr geteilt werden müssen. Trotzdem sind die Ampelschaltungen in Heidelberg für jeden Straßenbahnfahrer ein Graus. Zumindest in der Nähe zum Stadtkern. Nehmen wir mal als Beispiel die Linie 5, Betriebshof Richtung Handschuhsheim. Warten an der Ampel, Bus kommt vom Technologiepark, man kann nicht losfahren, weil der Bus in den Gegengleisbereich schwenken muss. Bergheimer Straße: Ständiger Kreuzverkehr des Individualverkehrs erfordert höchste Aufmerksamkeit des Fahrers. Nicht umsonst kracht es hier fast regelmäßig. Einfahrt in den Bismarckplatz wird gerade zu Hauptverkehrszeiten von Autofahrern die Kreuzung massiv blockiert, dass man hier trotz Fahrsignal nicht über die Kreuzung kommt. Bismarckplatz: Fast alle Linien in Heidelberg fahren diesen Haltepunkt an und blockieren sich zeitweise gegenseitig. Fahrt über die Brücke: Ampel vor der Haltestelle Brückenstraße schaltet auf Halt? Abfahrt Brückenstraße: Ampel vor der Linkskurve zur Haltestelle Kussmaulstraße schaltet auf Halt? Was soll dieser Scheiß? Man könnte locker 10 Minuten in Heidelberg Fahrzeit einsparen, wenn diese Strecke vernünftig geschaltet wäre. Das klappt aber seit Jahrzehnten nicht und wird in Zukunft nicht funktionieren, weil unsere Stadtplaner nichts in der Birne haben.
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Man kann dem Herren Berschin nur in allen Punkten recht geben. Egal ob Bahn oder Auto: Die Ampelregulierung in Heidelberg ist auf die Spitze getrieben worden. Teilweise heißt es anfahren und abbremsen in 50-Meter-Schritten. Insbesondere die Ampeln für Fußgänger sind der Oberhammer, teilweise am Anfang, am Ende einer Haltestelle und 50 Meter weiter an einer Kreuzung sind Ampeln für Fußgänger und die meisten Fußgänger gehen doch bei Rot oder zwischen den Ampeln über die Straße. Kann man ja alles machen, wenn man wenigstens dann das Geld aufbringt diese Ampeln miteinander zu koppeln! Bahnfahren wird uninteressant, da längere Fahrzeiten, Autofahren wird zur Belastung, weil Verkehrsführung und Ampelschaltungen nicht abgestimmt. Und die Verantwortlichen hätten ja mal sagen können, dass man sich das anschaut, wenn man schon nicht zugeben möchte, dass es unter Umständen der Wahrheit entspricht. Aber nein es wird reflexartig gesagt, dass alles nicht stimmt. Mit so einem Verhalten kann man sich auch wirklich verbessern.
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Stadtverwaltung und die RNV wollen die Vorwürfe Berschins also nicht auf sich sitzen lassen, die Ampeln sind nötig wegen "erheblicher Zunahme beim Radverkehr sowie gestiegenen Anforderungen an die Barrierefreiheit, etwa Querungshilfen für Blinde und für ,schwächere’ Verkehrsteilnehmer bei Ampelanlagen". Mit der Bahn fahren die Verantwortlichen wohl eher selten. Man nehme mal die Linie 24 vom Hauptbahnhof zum Technologiepark. Zuerst steht die Bahn am Betriebshof, um Autos in der Bergheimer Str. passieren zu lassen. Dann am Betriebshof nochmal (nach Zustieg der Fahrgäste), um Autos in der Mittermaierstraße passieren zu lassen. Dann steht sie vor der Brücke hinter Autos an der Ampel und meist erneut vor der Haltestelle Jahnstraße, um Autos passieren zu lassen. Anschließend wartet man gerne noch vor der Haltestelle Bunsen-Gymnasium, um - richtig - Autos passieren zu lassen. So sieht das hier aus.
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"Dilettantisch geschaltete" Ampeln kann man nur bestätigen. Beispiel Römerkreis: hat vier Bahnein- und -ausfahrten durch Gleis. Fährt eine Bahn von A nach B, werden die Fußgängerampeln bei C und D auch rot. Komplett sinnbefreit. Und wieso teilen sich Bus und Bahn so selten ihre Strecken! Konnte man die Gleise nicht in eine Busspur integrieren, so dass die Busse sich die Straße nicht mit dem Individualverkehr teilen müssen. In der Berliner Straße ist dies zumindest teilweise gemacht worden. Wieso nicht komplett? Würde den Nahverkehr schneller, damit attraktiver machen und für weniger Autos sorgen.
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Auch wenn Herr Berschin recht darin haben mag, dass es das Verkehrsmanagement mit Ampeln in Heidelberg erkennbar übertreibt, so sind seine Vergleiche nicht so ganz redlich. Der Hauptteil seiner errechneten Gesamtverschlechterung kommt mit 15 min aus dem Ringverkehr der Linie 5. Diese hat vor einigen Jahren bewusst zusätzliche Standzeiten in Edingen und Weinheim bekommen. Das ist aber nicht dem Stadtgebiet Heidelberg zuzurechnen.
Die Verschlechterungen im Neuenheimer Feld (Linie 31, 32, 37) kommen aus dem vor allem Pkw-verursachten Verkehrskollaps des Unigeländes. Und Herr Berschin unterschlägt auch geflissentlich, dass es Verbesserungen gab wie Eppelheim - Hauptbahnhof (12 min) oder Bismarckplatz - Boxberg (20 min mit Linie 39).
Also bitte nicht das Kind mit dem Bad ausschütten, sondern auf den Punkt kommen: Ja, es gibt zu viele Ampeln und Linksabbieger, wenn neu gebaut wird. Und ja, es gibt beim Betreiber der Ampeln keine Qualitätssicherung für die ÖPNV-Beschleunigung.
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Die Argumente von Stadt und RNV erscheinen mir nicht plausibel. "Linienführungen verlängert wurden" ja, aber die Zusammenstellung links zeigt ja Fahrzeitverlängerungen direkt vergleichbarer Linienwege ohne die Verlängerungen.

"Fünf Millionen Fahrgäste mehr als vor 25 Jahren" klingt viel, sind aber nur 14 % in einem Vierteljahrhundert. Und warum soll dadurch der ÖV langsamer werden, wenn gleichzeitig die Einstiegsstufen in die Straßenbahn weggefallen sind und die Straßenbahnfahrer keine Fahrkarten mehr verkaufen wie früher(TM)? Ich arbeite in Basel und kann die Straßenbahn dort und in anderen Schweizer Städten mit der in Heidelberg gut vergleichen. Himmelhohe Unterschiede! Während die Straßenbahnen in der Schweiz selten an einer Ampel halten müssen, lassen sie in Heidelberg fast keinen Ampel-Stop aus. Und das auch bei ganz neu gemachten Strecken wie in der Kurfürstenanlage. Selbst wenn sie mal Vorrang haben, müssen sie oft zunächst abbremsen und kurz stoppen, um dann wieder loszufahren. So wird das nichts mit der Verkehrswende.
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Thema Autor Datum/Zeit

» ÖPNV in Heidelberg immer langsamer ! (1778 Klicks)

bassemohluff 26. April 2019 15:00

Re: ÖPNV in Heidelberg immer langsamer ! (856 Klicks)

Bernhard W 27. April 2019 13:49



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