Willkommen! » Anmelden » Ein neues Profil erzeugen » Neueste Beiträge

Der Erste und die Letzte (1049 Klicks)

17. Oktober 2021 12:55


Was macht Man(n) an einem Sonntag, an dem die Familie allesamt eigenen Tätigkeiten nachgeht?

Nun – heute würde sich diese Frage eher nicht stellen → da wüsste ein (großes?) Deutsches Nahverkehrsunternehmen Abhilfe zu schaffen. Aber die entsprechende Anfrage per Mail kam eben erst in dieser Woche und so konnte ich vor zwei Wochen den Tag der Deutschen Einheit frei nach meiner Gusto planen.


Und, wenn Ihr mitkommen wollt, lade ich Euch virtuell gerne ein, ein Paar meiner entstandenen Schnappschüsse zu betrachten.



(Heute) tief in der schwäbischen Provinz liegend, war früher(TM) das Städtchen Neresheim einmal „Centralstation“ einer meterspurigen 55,49 km langen Strecke von Aalen nach Dillingen an der Donau. Was bei vielen Nebenbahnen die Regel war, so war es auch hier: Der Personenverkehr endete am 30. September 1972, der Güterverkehr zwei Monate später. Die Gleisanlagen wurden – wie sollte es anders sein – komplett demontiert.

Die Fahrzeuge rosteten „überlebten“ – auch wie anderswo – auf Spielplätzen und/oder gerne auf einem kurzen Gleisstück als sogenanntes „Denkmal“ → wenn man damals rechtzeitig nachgedacht hätte, könnte auch diese Bahn heute noch verkehren, Beispiele gibt es in Österreich und der Schweiz zuhauf.



Seit 1985 ist der Verein Härtsfeld-Museumsbahn e.V. (HMB) aktiv, er hat sich das Ziel gesetzt, den Streckenabschnitt NeresheimDischingen als Museumseisenbahn wieder aufzubauen – dazu im Laufes meiner Geschichte etwas mehr.

Wie auf meinem ersten Bild zu sehen, war ich seeeeeehr früh unterwegs, ich wollte mit dem ersten Zug des Tages fahren und „aufgrund der derzeitigen Situation“ (wie man diese Seuche zurzeit so nennt), hatte der Verein gebeten, rechtzeitig vor Ort zu sein.



Die heutige D4 bezeichnete Diesel-Gelenklokomotive war für den Export zur Estrada de Ferro Leopoldina in Rio de Janeiro vorgesehen. Für Probefahrten weilte die Lok 1958 einige Wochen auf dem Härtsfeld, bzw. auf dessen Gleisen.
Aus irgendwelchen Gründen, die den Rahmen meiner Schilderung wohl sprengen würde, kam sie eben nicht nach Brasilien, sondern bis zu deren Stilllegung 1970 zur finnischen Werkbahn der Lohjan Kalkkitehdas Oy. 1972 ging es für die Lok dann in die Schweiz zur Luzern-Stans-Engelberg-Bahn, seit 2005 fährt sie (wieder) auf ihren einstigen Gleisen.

Für die Interessierten:
Hersteller: Lokomotivfabrik Arnold Jung; Achsfolge: B’ + B’; Länge: 11.600 mm; Dienstmasse: 36t; Vmax: 40 km/h; Leistung: 2 x 250 PS (ja, ich weis – nennt man heute kw (aber ich bin ja etwas älter no smiley).




Hinter dem Triebwagenanhänger sind seit einigen Stunden die Aktiven fleißig → aber dazu später (wohl eher Tage) mehr.

Irgendwann öffnete auch der Fahrkartenschalter, die Anwesenden einigten sich auf eine Reihenfolge, in der der Verkaufsraum betreten werden konnte (weshalb, siehe oben) und eine buntgemischte Schar erwartete am Bahnsteig auf den Zug.

Da dieser sich Zeit lies zu erscheinen ein kurzes Sillleben – im Gegensatz zu meiner Kinderheit in der heutigen Zeit ebenfalls als „historisch“ einzustufen.



Aber jetzt: Der Zug wird – Anhänger voran – einrangiert:





Warum der (heutige) Streckenbeginn lediglich über ein Stumpfgleis und – im Gegensatz zu den anderen Endpunkten – nicht über ein Umfahrungsgleis verfügt, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.



Nun (endlich) die Auflösung meines gewählten – wohl nicht jedermanns verständlichen – Titels: Seit 1996 wurde in Eigenarbeit der 2,86km langen Abschnitt Neresheim–Sägmühle wieder aufgebaut (eröffnet am 20. Oktober 2001). Diesen Abschnitt befuhr ich mit dem Dampfzug vor vielen Jahren im Rahmen eines (übrigens sehr tollen) IGN-Ausfluges nach Innsbruck. Da von der 2007 begonnenen Verlängerung zum Härtsfeldsee damals noch nichts zu sehen war, muss dieser mehrtägige Ausflug wohl irgendwann zwischen 2001 und 2007 gelegen haben – genau weis ich dies leider nicht mehr → da muss ich wohl mal in meinen Bilderbuch kramen unhappy smiley.

Ah – für die Härtsfeldbahner ist es der letzte Betriebstag – zumindest lt. Internetseite (die Fahrten an Nikolaus rechnen sie wohl nicht so).

Da ich damals mit Dampf gefahren bin, sollte meine heutige Reise eben mit dem Dieseltriebwagen stattfinden – und der verkehrt eben nur auf der ersten oder letzten täglichen Fahrt.



Nach 14 (weiteren) Jahren Bauzeit konnte die Streckenlänge (fast) verdoppelt werden - auf 5,5km. Auf den Bildern, die beim umsetzten (bzw. umstecken – den Unterschied kapiere ich wohl nie) im Bahnhof Katzenstein (der damaligen Zeit geschuldet, läppische 2km vom Ort entfernt) entstanden sind erkennt der geneigte Interessierte, dass hier noch einiges an Arbeit wartet; so ist z.B. ein Abstellgleis noch nicht fertig.



Nachdem meine Hinfahrt auf einem der 62 Sitzplätze im 1955 von Auwärter auf einem Fahrgestelle von 1901 gebauten Triebwagenanhänger TTA 101 erfolgte, nutze ich für die Rückfahrt den Triebwagen selbst.


Für die, die es wissen wollen:

TA101:
Bis 1972 auf der Härtsfeldbahn eingesetzt, fuhr er von1973 bis 1986 auf der Nebenbahn Amstetten – Laichingen der WEG und befindet sich seit 1986 wieder bei den Aktiven in Neresheim – natürlich nach gründlicher Aufarbeitung.
Ah – bevor ich es vergesse: Länge: 12.000 mm; Gewicht: 12 Tonnen.

T33:
Der Tw wurde 1934 von der Waggonfabrik Wismar (Typ Frankfurt C) gebaut und bis 1956 auf der Kleinbahn Bremen – Tarmstedt eingesetzt. Als T33 bezeichnet kam er zur Härtsfeldbahn, wurde jedoch zunächst nicht in Betrieb genommen. Von 1960 bis 1964 (!) wurde er umgebaut und mit einem (damals modernen) Firma der Fa. Auwärter versehen. Der Rest kurz erzählt: Nach der Stilllegung ab zur Schmalspurbahn Amstetten – Laichingen, dort nach kurzer Betriebszeit → Ersatzteilspender, 1982 an den Club Öchsle (in Laichingen abgestellt) → Verfall und Vandalismus, da eine Umspurung von Meterspur auf 750mm nicht so einfach war. Im August 1984 rettete die Triebwagenruine der heutiger 1. Vorsitzender des Härtsfeld-Museumsbahn buchstäblich vor dem schon beauftragten Schrotthändler. Nach langer und umfassender Restaurierung fährt er seit 2002 im „Reisezugdienst“ → top.

Lange: 11.700mm; Dienstmasse: 18,7 t; Sitzplätze: 32; Vmax: 40 km/h;


Und was im Dampfzug bauartbedingt weniger möglich ist: Im Triebwagen klappt es: Ein Aussicht auf die Strecke mit/aus Lokführersicht – wenn auch noch im Bahnhof.





Beenden möchte ich diese Schilderung mit einem Blick auf den – aus heutiger Sicht – spartanisch ausgestatteten Fahrerarbeitsplatz → zumindest das Funkgerät und der schwarze Knopf mit dem gelben Gehäuse sind „modern“.





In einigen Tagen dann der 2. Teil mit einer Streckenbegehung.




Salü Erhard



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 17.10.21 13:02.
Thema Autor Datum/Zeit

» Der Erste und die Letzte (1049 Klicks)

Heidelberger Straßenbahner 17. Oktober 2021 12:55



In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Klicke hier, um Dich einzuloggen