Straßenbahnen fahren auf den Schrottplatz
MVV räumt die OEG-Wagenhalle / Büros, betreutes Wohnen und Reihenhäuser: Investoren wollen im Herbst loslegen
Von unserem Redaktionsmitglied Bertram Bähr
Viernheim. Zwei Eisenbahnfreunde geben das letzte Geleit, als die altehrwürdige Straßenbahn, Baujahr 1913, am Dienstag ihren Weg auf den Schrottplatz antritt. Sie steht vor der OEG-Wagenhalle auf dem "Abstellgleis", ist in sichtbar schlechtem Zustand. Wie ihr geht es weiteren Zügen: Die Mannheimer MVV AG räumt zurzeit das denkmalgeschützte Gebäude - das in naher Zukunft Büros beherbergen soll.
Denn nach langen Jahren des Stillstands, in denen gar der Abriss drohte, legten im November 2006 der Projektentwickler Orhan Tiryaki und Architekt Matthias Jarcke der Stadt Pläne vor, die großen Anklang fanden (wir berichteten). Im Umfeld der Halle sollen Reihenhäuser und - nach einem inzwischen modifizierten Plan - 70 betreute Wohnungen rechts und links der Wagenhalle entstehen.
Das Gründerzeit-Gebäude selbst wird wohl nach einer aufwendigen Sanierung Büros beherbergen, die Raum für rund 80 Arbeitsplätze bieten - in historischem Ambiente. Denn außen, so Jarcke bei der Präsentation des Vorhabens, werde das Erscheinungsbild nicht angetastet - wenn man vom Abriss des weniger wertvollen, in den 60er Jahren errichteten Anbaus einmal absieht. Auch im Innern soll das Ensemble aus Glas, Stahl und Backstein seinen offenen Charakter behalten.
Augenfällig könnte der ursprüngliche Zweck der Halle mit einem restaurierten Straßenbahnwagen in den Mittelpunkt gerückt werden. Diese Option halten die Investoren sich offen, wie ein Sprecher der MVV dem "Südhessen Morgen" auf Anfrage mitteilte. Zwar werde das Gebäude derzeit geräumt, aber ein Fahrzeug bleibe dort und solle integriert werden. Die meisten anderen Züge werden nach Angaben der MVV verschrottet, sie seien wegen ihres schlechten Zustands "nicht mehr aufarbeitbar". Das Schicksal einiger weniger Bahnen sei allerdings noch offen, das Unternehmen habe sie bis zu einer Entscheidung in ein anderes Depot gebracht.
Wie es dagegen auf dem Gelände weitergehen soll, ist eigentlich klar: In ihrer Sitzung am 22. Juli schaffen die Stadtverordneten die baurechtlichen Voraussetzungen für das ambitionierte Vorhaben. In einem Gespräch mit der Projektleitung habe die Stadt in der vergangenen Woche noch einige Details abgestimmt, so Erster Stadtrat Martin Ringhof gestern zum "SM". Nach dem Parlamentsbeschluss können die Bauanträge gestellt werden. Architekt Matthias Jarcke rechnet mit einem Baubeginn im Spätherbst.
Erste Ideen für die kurz vor der Umsetzung stehenden Pläne lieferten Architekturstudenten der privaten SRH-Fachhochschule Heidelberg, die sich 2005 mit dem Gelände beschäftigten. Allen Vorstellungen gemeinsam war die Überzeugung, dass die Vermarktung der Halle allein nicht ausreicht, um die Anschaffungs- und Sanierungskosten zu decken. Die jetzt vorgesehene Kombination aus geschäftlicher Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes und angrenzender Wohnbebauung dagegen rechne sich auch wirtschaftlich.
Aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht die Halle nach langen Jahren des schleichenden Verfalls. Für Schlagzeilen sorgte zuletzt im Februar dieses Jahres ein Brand, der von einem der alten Waggons ausging. Die Polizei sprach von Brandstiftung. Während die Straßenbahn völlig ausbrannte, nahm das Gebäude selbst - das zwischen 1976 und 1981 als Eisenbahnmuseum diente - kaum Schaden.
Südhessen Morgen
31. Mai 2007