01. Juni 2016 21:43
Mahlzeit,

als begeisterter Gleisarchäologe habe ich ja schon so manche stillgelegte Strecke abgewandert. So ziemlich jede Bahnlinie in der Vorderpfalz und Straßenbahn in MA/LU/HD habe ich schon besucht. Doch gerade in der Stadt lassen sich genaue Streckenführungen nur schwer ergründen. Zu viel wurde im Laufe der Jahrzehnte umtrassiert oder komplett umgestaltet.

Nach kurzer Abwesenheit ist nun bei der Stadt Mannheim das Luftbild von 1929 wieder abrufbar. Als Besonderheit kann man dieses Maßstabsgleich auf 2014 umschalten: [www.gis-mannheim.de]

Ich habe mir mal den Spaß gegönnt und einige Streckenführungen eingezeichnet und ins aktuelle Luftbild hineinkopiert. So lassen sich die Führungen längst verschwundener Strecken ausmachen.
Neben den Luftbildern von der Stadt Mannheim (ich hoffe das ist mit Nennung der Quelle ok) haben mir noch alte Gleispläne und die Betriebsgeschichte der MVG geholfen.

Dabei nutze ich folgende Legende:


Fangen wir mal mit dem Bereich um das damals noch neue Klinikum an:




Während die Neckaruferbahn der OEG weitestgehend unverändert trassiert ist, ist oben links noch die Ausfahrt aus dem Weinheimer Bf. Der OEG erkennbar. Die Straßenbahn über die Ebertbrücke – die auch vor ihrer Umbenennung in Adolf-Hitler-Brücke einige Jahre später so hieß – ist ebenfalls unverändert. Wenn man mal von der Umtrassierung auf der Brücke bzw. dem Neubau selbst absieht.
Ferner gibt es noch die Strecke auf dem „weißen Sand“ und vor dem Klinikum entlang. Heute ist hier nicht mal mehr eine Straße.
Die OEG-Strecke zum Weinheimer Bahnhof wurde 1973 aufgegeben. Seit 2005 sind Klinikum und alter Messplatz durch eine Neubaustrecke auf der Schafweide miteinander verbunden(hier jetzt nicht eingezeichnet).

Mit Aufgabe der Straßenbahn vor dem Klinikum 1964 nutzt diese die Röntgenstraße. Früher(TM) verlief hier die OEG nach Feudenheim, die jedoch anders als die Straßenbahn heute, in Seitenlage trassiert war.
Die OEG-Strecke verlief auf der Feudenheimer Str. parallel zur Straßenbahn. Hier war die Strecke viergleisig ausgebaut. Zwar ist in der Betriebsgeschichte vermerkt, dass das vierte Gleis nie gebaut worden sei, doch in diesen Stunden versicherte mit der Betriebschronist fernmündlich, dass es nach neuesten Erkenntnissen doch existiert habe.
Die OEG-Gleise nach Feudenheim hatten nie Personenverkehr, dazu später mehr.
Mit Bau der Straßenbahn auf die Vogelstang 1969 wurde die dann nur noch zweigleisige Strecke auf der Feudenheimer Straße in die Mitte verlegt.

Wo heute der Parkplatz des Klinikums ist, befand sich damals noch ein Gleis der OEG zum Neckar hinunter. Es ist aber davon auszugehen, dass die Rampe weniger steil ausgeführt war, als sie das heute ist ;-)

Auf der anderen Neckarseite erkennt man noch die Zufahrt der Straßenbahn zur OEG über die Bassermannstr. Über diese hatte ich hier mal was geschrieben: [www.rnlf.de]

So sieht die Situation heute aus:

Die Alte Schleife (bis 1964) auf dem Parkplatz der MaRuBa kann man sich heute nur schwer vorstellen. Interessant ist, dass das heutige Abstellgleis an der neuen Friedhofsschleife(unter RHB-Fahrern als „Friedhof Außenschleife bekannt“) so ziemlich dem Gleis der alten OEG-Strecke folgt.





Gehen wir der Strecke mal ein Stück entlang nach Feudenheim:

Hier gibt es die Straßenbahn, die mehrfach (zuletzt 1974) erweitert wurde und damals noch die OEG.
Die OEG hatte wie bereits angesprochen eine vollkommen eigene Trasse. Sie war zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert. Sie endete im Bahnhof Feudenheim, war aber eine Vorleistung für die Strecke nach Ladenburg und Schriesheim, die nie gebaut wurde. So blieb die OEG-Strecke ohne Personenverkehr. Lediglich einen spärlichen Güterverkehr soll es gegeben haben. Mein Modellbau-Lehrmeister, 1921-64 in Feudenheim wohnhaft, erzählte mir, dass es Schotterzüge gegeben haben soll und noch auf Höhe der Riedbahn ein Abzweiggleis, das ich jedoch noch nicht ausmachen konnte.
Weiterhin waren in Feudenheim Fahrzeuge abgestellt. Auf „Anregung“ des Oberbürgermeisters Renninger (NSDAP) wurde jeglicher Verkehr eingestellt. In den 40ern wurde die Strecke restlos abgebaut. Die Masten fanden Verwendung bei der Elektrifizierung der OEG nach Heddesheim.


So siehts heute aus:



Wenn man mal vor Ort ist, lässt sich der genaue Verlauf nur noch schwer ausmachen.





Mal in eine andere Richtung, ans entgegengesetzte Ende der heutigen Linie 2:



Rund um die heutige Endstelle Neckarstadt West zeigt sich noch ein umfangreiches Netz an Straßenbahnlinien. Damals waren die Strecken in den Hafen noch in Betrieb, die 1956-70 eingestellt wurden.
Auch den Durchstich vom Neckar zum Bonadies-Hafen gibt es seit den 60ern(?) nicht mehr. Weniger bekannt ist auch das Gleis zu einem städtischen Lagerplatz.

Bis zur Sprengung durch die Nazis 1945 fuhr auch auf der alten Jungbuschbrücke (damals Hindenburgbrücke) noch die Elektrisch‘. Beim Neubau 1951 kam sie nicht mehr mit drauf, stellte man doch schon in den 30ern fest, dass man den ÖPNV in den Jungbusch besser auf ein Minimum beschränkt.


In Grün ist die alte Bahnstrecke vom Waldhof zum Bahnhof Neckarstadt(am alten Messplatz) zu erkennen. Sie wurde in den 60ern elektrifiziert und zuletzt von der BR 425 (auch rot, auch TrieWa, aber ohne Quietschen) befahren. Gemäß der bekannten Investitionspolitik der Bundesbahn legte man die gerade erst elektrifizierte Strecke 1971 folgerichtig still.

So zeigt sich die Situation heute:



In den 70ern erfolgte der Abbau der Strecke. 1973/74 wurden auch die Rampe von der Jungbsuchbrücke zur Ludwig-Jolly-Str. vierspurig und die Auffahrt kreuzungsfrei ausgebaut. Hierbei verschwand wohl auch die Abfahrt von der Dammlage auf die Ebene 0 am Neckarufer.
Der größte Teil der alten DB-Strecke Waldhof-Neckarstadt ist seit 1985 Teil der westlichen Einführung der Riedbahn in den Manneimer Hbf.. Seit dem muss in Mannheim auf Nord-Süd-Verbindungen nicht mehr geköpft werden.
Die WER ist allerdings ein vollkommener Neubau. Da wurde nichts von der alten Strecke übernommen.



Ein Stück die Strecke entlang sah es so aus:



Am (heute alten) Messplatz gab es 1929 noch zwei der einst drei Bahnhöfe. Zu erkennen sind der DR/DB-Bahnhof der Riedbahn in grün und der OEG-Bahnhof in rot. Den Bahnhof der Feudenheimer Dampfbahn gibt es schon seit 1914 nicht mehr, als diese ins Straßenbahnnetz integriert wurde. Diese ist nicht zu verwechseln mit der Feudenheimer OEG, sondern verkehrte auf dem Laufweg der heutigen Linie 2. Zumindest ab Friedhof.
Der DB-Bahnhof wurde mit der Stilllegung der Strecke 1971 aufgegeben. Das EG wurde im Krieg stark getroffen und wieder aufgebaut. Im Güterschuppen war lange ein Discounter. Die Anlage war noch lange als Bahnhof zu erkennen. 2006 wurde der Güterschuppen abgerissen, vor drei Jahren dann auch das EG, nachdem es im Dachgeschoß zu einem Brand kam bzw. gekommen wurde. Da dem aktuellen OB noch ein passendes Denkmal fehlt, mit dem er sich verewigen kann, ist vorgesehen dort ein „Haus der Möglichkeiten“ zu errichten. Es soll später die Stadtbücherei beherbergen, die derzeit noch im Stadthaus, dem Denkmal seines Vorgängers, untergebracht ist. Man möchte dann die die verlängerte Kurpfalzachse (Breite Straße) als „Bildungsachse“ etablieren mit der VHS auf der einen- und der Bücherei auf der anderen Neckarseite. Das hat das Gebiet auch bitter nötig. Denn es soll nicht der kuriose Umstand verschwiegen werden, dass es größter Anstrengungen bedarf in den genannten Gebieten überhaupt jemanden zu finden, der die ganzen Bücher lesen kann.
Da für diese „Wohltat“ derzeit noch das Geld fehlt befindet sich hier derzeit wieder ein Biergarten „Alter Bahnhof“, wo drei Umbauwagen an die früher(TM)e Nutzung erinnern.

Der OEG-Bahnhof wurde wie erwähnt 1973 aufgegeben.

Die Straßenbahn wurde danach auf dem Platz neu trassiert und bekam eine Wendeschleife. Mit Umgestaltung des Platzes 2005 bekam die Haltestelle wieder ihre ursprüngliche Lage zurück. Seit dem gibt es auch die neue Strecke (blau) durch die Schafweide. Die eingleisige Richtungsstrecke durch die Schimperstr. gab es 1929 noch nicht und seit 1998 nicht mehr. Das Gleis liegt 2016 noch.





So sieht es dort heute aus. Auf dem Gelände des alten OEG-Bahnhofes befinden sich heute die Unterschichts-Silos der NUB, die weithin negativ im Stadtbild auffallen.








Gehen wir mal weiter in den Süden der Stadt. Hier – auf der Rheinau – zweigte bis Ende der 60er Jahre die Nebenbahn nach Ketsch ab. Sie wurde nahezu komplett „untergepflügt“. Heute verkehren in diesem Bereich übrigens die mit am stärksten belasteten Regio-Buslinien im VRN.
Die weitläufigen Neubaugebiete in Rheinau-Süd und Brühl gab es damals noch nicht.





So sieht es dort heute aus. Scheinbar änderte sich auch die Lage der Rheintalbahn selbst leicht. Der Verlauf der alten Bahnlinie nach Ketsch lässt sich hier nicht mehr wirklich ausmachen.
Doch einen interessanten Aspekt zeigt das nächste Bild:




Wenn man sich den Kreisverkehr, der oben von der grünen Linie durchstrichen wird genauer ansieht, sieht man noch ein Gleis liegen. Dieses war wohl an dieser Stelle überfahrbar oder es gab einen (sehr breiten) BÜ.
Ob ein Teil der Strecke evtl. noch länger als Güteranschluss diente ist mir leider nicht bekannt. Jedenfalls scheint dieses Gleis der Strecke nach Ketsch zuordenbar zu sein.





Nun ein Sprung in den Nordosten der Stadt, nach Käfertal. Hier ist der OEG-Bahnhof zu sehen, wo sich die Strecken nach Heddesheim und Weinheim aufteilen. Während das Bahnhofsgelände heute noch in den Ausmaßen weitestgehend unverändert vorhanden ist, erkennt man links im Bild noch die alte Straßenbahn-Stumpfendstelle. Ein Umstand, der mir noch nicht bekannt war, war die alte Ausfädelung nach Heddesheim, die erst auf Höhe des BÜ Ladenburger Str. erfolgte. Betrachtet man den Radius, scheint sie vorteilhafter gewählt als die Heutige, die mit Vmax 10 km/h nach dem letzten Umbau eine erneute Verschlimmbesserung darstellt. Wie lange die alte Führung bestand weiß ich leider nicht. Um 1940 gab es jedenfalls schon die heutige Führung.




So sieht es um den Käfertaler Bahnhof heute aus. Gut zu erkennen die neue Ausfädelung nach Heddesheim und die Wendeschleife.
Die Umsetzanlage der Straßenbahn wurde 1957 ebenfalls durch eine Schleife ersetzt, die sich dort befand, wo auf dem Bild links die Reihenhäuser der Modellreihe „Hasenstall“ (mit dem schwarzen Dach) befinden. Sie wurde überflüssig, als 1995 die Straßenbahn in den OEG-Bahnhof eingeführt wurde, was stark zur Kundenfreundlichkeit beitrug und die Umsteigebeziehungen Straßenbahn/OEG/Bus vereinfachte.






Bleiben wir in Käfertal. Hier gab es bis 1952 noch eine nur im Güterverkehr bediente Strecke zum Wasserwerk. Am Bahnhof Käfertal Wald zweigte diese ab. Nach dem Krieg befanden sich hier dann einige der US-Kasernen, auf denen nun der neue Stadtteil „Franklin“ entstehen soll.

Die Strecke erlangte im wesentlichen Bekanntheit, als dort in den 50ern der Film „Meines Vaters Pferde“ gedreht wurde, wo eine OEG-Kastenlok mit einem Personenwagen eine Berliner Dampfstraßenbahn darstellen sollte.
Diese Zweigstrecke wurde nie elektrifiziert.




So sieht die Ausfädelung heute aus. Ob die Kasernen erst nach Stilllegung der Bahn ausgedehnt wurden oder diese zwischenzeitlich umtrassiert wurde ist mir nicht bekannt.
Die Führung der Bahn nach Weinheim ist bis heute unverändert an dieser Stelle. Der Bahnhof Käfertal Wald ist nun nur noch HP, verfügt aber noch über sein „EG“, das nun einen Imbiss beherbergt. Mit Inbetriebnahme der Linie in die Gartenstadt (Ziel: Käfertaler Wald) wird dieser Halt in „Platz der Freundschaft“ umbenannt, um etwas DDR-Flair aufkommen zu lassen :-)





So sah die Einführung ins Wasserwerk aus.



So sieht das heute aus. Auf Höhe des Parkplatzes lässt sich an einem kurzen Stück Pflaster noch die alte Gleisführung erahnen.



Soviel für heute.

Alla hopp
Thema Autor Datum/Zeit

» Gleisarchäologie mal anders (mB) (2199 Klicks)

Tw237 01. Juni 2016 21:43

Re: Gleisarchäologie mal anders (mB) (722 Klicks)

Fabegdose a.k.a. Dr. Düwag 01. Juni 2016 22:40

Bilder von der Endschleife Feudenheim? (772 Klicks)

H.F.,eh. F. 02. Juni 2016 08:51

Re: Gleisarchäologie Rheinau-Brühl (1209 Klicks)

bassemohluff 02. Juni 2016 16:21

Re: Gleisarchäologie Rheinau-Brühl (703 Klicks)

mor_ 02. Juni 2016 19:29

Re: Ketsch - Brühl - AW (950 Klicks)

bassemohluff 06. Juni 2016 21:00

Re: Gleisarchäologie mal anders (mB) (620 Klicks)

Das Biergleis 04. Juni 2016 01:27

Re: Gleisarchäologie mal anders (mB) (679 Klicks)

Bernhard W 04. Juni 2016 10:13

Re: Sehr interessant, danke! (kT) (614 Klicks)

Fabegdose a.k.a. Dr. Düwag 05. Juni 2016 12:39

Re: zur Wasserwerksbahn? (706 Klicks)

jockeli 06. Juni 2016 08:10

Re: zur Wasserwerksbahn? (609 Klicks)

Lokleitung 06. Juni 2016 09:16

Re: zur Wasserwerksbahn? (794 Klicks)

Bernhard W 06. Juni 2016 22:18

Ergänzung zur Strecke zum Käfertaler Wasserwerk (mB) (697 Klicks)

Tw237 13. Juni 2016 11:43

Re: Ergänzung zur Strecke zum Käfertaler Wasserwerk (m2B) (904 Klicks)

Bernhard W 15. Juni 2016 00:47



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