12. Dezember 2018 22:50
Aus aktuellem Anlass noch eine kleine Einschätzung, die der ÖPNV in Ludwigshafen heute, 10 Jahre nach Einstellung der 12 dasteht:




Heute nutzen die Ludwigshafener im Schnitt 192 Mal jährlich den ÖPNV. Diese Kennzahl gibt in etwa an, wie gut der ÖPNV in etwa angenommen wird. Das ist in einer deutschlandweiten Betrachtung noch unteres Mittelfeld. Zum Vergleich: In Mannheim sind es 258, in Karlsruhe 358 und in Freiburg 346. Der Modal-Split-Anteil des ÖPNV liegt bei 15 %, was für eine Stadt dieser Größe einen guten durchschnittlichen Wert bedeutet, insbesondere wenn man in der Betrachtung des Umweltverbundes sieht, dass Ludwigshafen von den drei Großstädten in der Region die Stadt ist, die über das beste Radwegenetz verfügt. So finden immerhin 16 % aller Fahrten im Ludwigshafener Berufsverkehr mit dem Fahrrad statt.





Dass Ludwigshafen in der ÖPNV-Nutzung keine völlig – Achtung, Wortwitz – „unterirdischen“ Ergebnisse erzielt, ist an ehesten darin zu begründen, dass viele Ludwigshafener ihre Ziele in Mannheim haben und umgekehrt. Trotz einer ähnlich prekären Finanzlage hat es Mannheim jedoch geschafft den ÖPNV massiv auszubauen und Takte zu verdichten. Eine höhere Inanspruchnahme (die Fahrgastzahlen verdoppelten sich fast seit 1990) ließen das Defizit auf etwas weniger als die Hälfte schrumpfen, womit Mannheim heute beim pro-Kopf-Defizit in der Deutschlandbetrachtung im Mittelfeld liegt. Ludwigshafen muss mit ca. 20 Mio. Euro fast genauso viel jährlich in den ÖPNV pumpen wie die Nachbarstadt, ist jedoch erheblich kleiner. Das bedeutet ein ÖV-Defizit je Einwohner von 121 Euro; nur weniger Städte müssen tiefer in die Tasche greifen. Im geringfügig größeren Erfurt muss man für einen erheblich attraktiveren Nahverkehr nur etwa die Hälfte aufbringen.






Das schlägt sich auch in der Ineffizienz des Ludwigshafener Nahverkehrs nieder. Es gibt ein (sehr) teures Straßenbahnsystem mit Tunnelanteilen und ein Bussystem, das dieses teilweise überlagert, für Busnetze jedoch wichtige Tangentialverbindungen auch nach Verbesserungen noch weitestgehend vermissen lässt. Es wird eine Vielzahl von Schulbussen benötigt, da das System selbst an den wichtigen Stellen nicht kapazitätsstark genug ist. Die mittlere Einsatzzeit eines Busses in Ludwigshafen liegt weit unter der in Mannheim, was eine ungünstige Kapitalbindung bedeutet.
Mit dem Südwestast des Netzes Richtung Gartenstadt/Maudach/Mutterstadt ist eine der wichtigsten Achsen nur mit Bussen bedient. 2002 war es der zweitstärkste Ast im Netz, inzwischen könnte er sogar noch stärker geworden sein. Denn hier liegen die wenigern Stadtteile Ludwigshafens, die in der Vergangenheit ein Wachstum erzielt haben.







Was neben einem verpassten Netzausbau und der Stilllegung der 12 noch viel schwerer wog, war die Einstellung des Spätverkehrs auf der Schiene. Denn auch, wenn die Bahnen leer gewesen wären, hätten diese Fahrten für wahlfreie (zahlende) Kundschaft ein Argument bedeutet eine Zeitkarte zu kaufen. Auch subjektiv stellt man fest, dass man einen Stammtisch in Mannheim oder Heidelberg auch mal in einem Stadtteil abhalten kann, in Ludwigshafen entfällt die Möglichkeit nach Mundenheim, Friesenheim oder den Hemshof zu gehen, denn ab 21 Uhr werden die Bürgersteige hochgeklappt.

War von politischer Seite früher(TM) jedoch kaum eine positive Einstellung zum ÖPNV zu vernehmen, so sind in der jüngsten Vergangenheit in der Presse immer wieder positive Statements zum ÖPNV zu vernehmen. 2018 ist die politische Zusammensetzung des Gemeinderates zwar ähnlich wie in den vergangenen Jahren, doch gibt es mit Jutta Steinruck eine neue Oberbürgermeisterin, die ihrerseits auch angibt für einen besseren Nahverkehr in Ludwigshafen zu stehen.
Seit Jahrzehnten wird neuerdings auch in Ludwigshafen wieder über einen Ausbau den Schienennetzes diskutiert. Der erste in der Öffentlichkeit wahrnehmbare Vorstoß dazu kam von der CDU, die SPD zog nach und die Grünen fanden ÖPNV als einzige sowieso schon immer gut.
Allerdings ist hier Skepsis geboten, wie ernst die neue Liebe zum ÖPNV nun tatsächlich gemeint ist. Denn die einschneidenden Verschlechterungen der Vergangenheit gingen auf einstimmige Beschlüsse von SPD und CDU zurück, die heutige Oberbürgermeisterin hatte demnach als Stadträtin in der SPD-Fraktion ihre Zustimmung zur Einstellung des Spätverkehrs gegeben. Wenn sich hier Einstellungen tatsächlich geändert haben sollten, wäre das begrüßenswert.
Doch erst kürzlich war in der Presse zu vernehmen, dass man einer Wiedereinführung des Spätverkehrs – was ein erster kurzfristig umsetzbarer Schritt hin zu einem attraktiven ÖPNV wäre - ablehnend gegenübersteht. Und um die Sanierung der Straßenbahn in Friesenheim wird seit nunmehr 14 Jahren ein Eiertanz veranstaltet, der seines gleichen sucht. Auch, wenn das Land hier nicht ganz unschuldig ist, so muss auch gesehen werden, dass es sich bei dieser als „Großprojekt“ eingestuften Maßnahme um ein Projekt handelt, das in Mannheim nichteinmal der Rede wert wäre. Derartige Maßnahmen (z.B. Waldhofstr., Kattowitzer Zeile, Relaisstr.) wurden eher nebenbei ohne großes Aufsehen kurzfristig schon vor Jahren umgesetzt.



Zwar drängt sich der Verdacht auf, dass viele Gemeinderäte bis heute nicht wissen, was sie im Zeitraum 200-2008 angerichtet haben, doch täte man den Ludwigshafener Politiker unrecht, wenn man sie jetzt als unqualifizierter als die anderer Städte einstufen würde.
Der Grund für die Misere im Ludwigshafener ÖPNV ist historisch bedingt und viel tiefgründiger.
Angefangen mit der fehlenden Schienenstrecke im Südwesten der Stadt: Diese Strecke gab es bereits, allerdings als dampfbetriebene Kleinbahn, die man bereits 1933 aus der Innenstadt verbannte. Die nunmehr erst ab Mundenheim betriebene Bahn war im Grunde schon nach dem ersten Weltkrieg veraltet und kam ab 1920 zur neu gegründeten Deutschen Reichsbahn, nach 1948 zur Deutschen Bundesbahn. Der Einfluss der Stadt und ihrer Verkehrsbetriebe war daher eher gering. Zwar gab es schon früh Pläne deren innerstädtischen Abschnitt (ähnlich der OEG-Strecke nach Käfertal in Mannheim) mit Straßenbahnen zu befahren, doch ein notwendiger Ausbau scheiterte. Mal waren es Kriege, Wirtschaftkrisen oder der Nationalsozialismus, der den ÖPNV ohnehin nicht besonders weit oben auf der Agenda hatte. Nach dem zweiten Weltkrieg machte die Bundesbahn dieses Strecke 1955/56 platt, um hier mit eigenen Bussen zu fahren. Der Stadt blieb nur übrig hier mit ihren Bussen das Stadtgebiet zu bedienen.
Im Zuge des großen Stadtumbaus wurde zwar viel in den ÖPNV investiert, doch nicht zu dessen Ausbau und schon gleich gar nicht zu dessen Nutzen. Die Straßenbahn auf der heutigen Kurt-Schuhmacher-Brücke musste man sich in einem „Deal“ von der Mannheimer Seite aufzwingen lassen und die zahlreichen Tunnelstrecken waren eher städtebaulicher Natur.


Von 1878 bis 1965 war die Ludwigshafener Straßenbahn ein Teil des Gemeinschaftsbetriebs mit Mannheim. Die strategische Netzplanung (z.B. Strecken nach Oppau, Frankenthal oder Speyer) oblag dem gemeinsamen Straßenbahnamt. Mit Trennung des Betriebes 1965 blieben diese Planungsstellen in Mannheim, bei der späteren MVG/MVV-V. Die neuen Verkehrsbetriebe Ludwigshafen betrieben lediglich das ihnen zur Verfügung stehende Netz „irgendwie“ und wenn aus der Politik zu vernehmen war „ihr seid zu teuer“ wurde „irgendwie“ gespart, ohne sich großartig über die Folgen im Klaren zu sein. Diese Vorschläge wurden dann von politischer Seite weitestgehend kritiklos angenommen, schließlich wollte man sparen, was natürlich trotzdem nicht gelang.
Bau und Planung neuer Strecken, wie der Umbau der Straßenbahn zur U-Stadtbahn in den 70ern, der Bau von Tunnels oder die relativ weit gediehene Strecke zur Pfingstweide waren in Ludwigshafen nahezu vollständig in den Händen der Stadtverwaltung bzw. des Tiefbauamtes. Die Verkehrsbetriebe begleiteten diese Vorgänge allenfalls „fachtechnisch“.
In Mannheim hingegen lag der Netzausbau und die Strategie nahezu vollständig bei den Verkehrsbetreiben als „Kompetenzzentrum“. Egal ob B-Linie, Schönau, Vogelstang, Feudenheim oder Neuhermsheim – geplant wurde bei den Verkehrsbetrieben und die Stadträte konnten dann entscheiden – meistens mit „ja“, denn „die bei den Verkehrsbetrieben“ werden schon wissen, was gut ist.






Ein derartiges „Kompetenzzentrum“ fehlte bei den Verkehrsbetrieben in Ludwigshafen im Grunde, so war eine Weiterentwicklung von der Basis her auch schwer möglich.
Mit der 2005 gegründeten rnv besteht heute wieder die Möglichkeit von betrieblicher Seite mehr für „LU“ zu planen. Es gibt schon mehrere Ideen für Neubaustrecken, doch die neue Stadtstraße, die die Hochstraße Nord ersetzen soll, soll auf Wunsch der Stadt ludwigshafen partout ohne Straßenbahn bleiben. Grund ist, dass die Kreuzung der IV-Fahrspuren den Verkehrsfluss verzögern soll. Diese wichtige und Ersparnisse brgingende Anbindung Friesenheims an die City könnte allerdings auch unter Nutzung des bestehenden C-Tunnels auf einer Länge von ca. 50 -100 m zwischen Danziger Platz und Friedenspark ohne eine Kreuzung der Fahrbahnen erfolgen.
Momentan sieht es so aus, als ob die örtliche Politik dem Netzausbau ansonsten auch offen gegenübersteht. Jetzt käme es nur noch darauf an, im richtigen Moment mit „Ja“ zu stimmen



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