Zitat
Um Deine Frage zu beantworten. 2min. Verspätung sind besser als 10s vorzeitige Abfahrt.
Ich wollte ja eigentlich nix mehr schreiben, weil mir die Beratungsresistenz des Abfahrers doch den Blutdruck zu sehr nach oben treibt, aber nochmal:
In den Führerständen sitzen Menschen und keine Maschinen. Und in den Fahrplänen stehen volle Minuten, keine Sekunden und keine halben Minuten. Ich habe zu meinen Fahrenszeiten bewusst oft nur Uhren ohne Sekundenzeiger getragen, und ich kann jeden Fahrer verstehen, der die nervige Sekundenanzeige des RBL abdeckt, weil sie unterschwellig ein Druckmittel darstellt.
Und wegen ein paar Sekunden (Achtung, ich sprach nicht von anderthalb Minuten) verfrühter Abfahrt dann unter Umständen mehrere Minuten Verspätung aufzusammeln ist Quatsch. In abgeschlossenen Bahnnetzen, wie beispielsweise bei der "großen Eisenbahn", ist das auch völlig egal, weil es ja die äußeren Einflüsse durch Verkehrssignalanlagen oder das mitfließen im Individualverkehr nicht gibt. Da gibt es eine Ankunftszeit und eine Abfahrtszeit, und man kann immer schön auf den Zeigersprung warten. Dennoch käme ich nie auf die Idee, bei einem Zug, den ich noch erreichen will, erst dreißig Sekunden (haha) vor der Abfahrtszeit am Bahnsteig zu erscheinen. Schon deshalb, weil er ja auf einen anderen Bahnsteig verlegt sein könnte oder in umgekehrter Wagenreihung fährt oder so ähnlich. Ich bin ja nicht so doof dass ich mir selbst das Leben schwer mache.
Natürlich kann man Fahrpläne auch so schreiben, dass ein verfrühtes Fahren praktisch unmöglich wird: ich gebe auf alle machbaren Zeiten einfach noch eine oder zwei Minuten drauf. Da es ja aber in der Regel im Bus- und Straßenbahnverkehr und auch bei den meterspurigen Eisenbahnen in unserer Region an den meisten Haltestellen und Haltepunkten nur
eine einzige Fahrplanzeit gibt, die sowohl die Ankunfts- als auch die Abfahrtszeit darstellt, würde das bedeuten, dass die Bahnen und Busse dann immer "verspätet" ankämen. Ist also auch nix.
Ich denke, so, wie man von einem Fluggast erwarten kann, dass dieser zwei Stunden vor dem Abflug zum Einchecken bereit ist, so wie man beim Eurostar ne halbe Stunde vorher da sein muss und so wie die Franzosen bei ihren Ouigos fünf und bei den TGV drei Minuten vor Abfahrt den Zugang zum Bahnsteig schließen, kann man auch im ÖPNV erwarten, dass der geneigte Fahrgast zwei oder drei Minuten vor der Abfahrt an der Haltestelle ist. Und dann ist es auch völlig egal, ob das Fahrzeug wenige Sekunden vor der Planzeit abfährt oder wenige Sekunden danach.
Und zwei Minuten Verspätung sind
eben nicht besser als zehn Sekunden "vorzeitige" Abfahrt. Zwei Minuten Verspätung können einen Anschluss gefährden oder kaputtmachen, den die an Bord befindlichen Fahrgäste vielleicht noch gekriegt hätten, wenn der Zug an der vorherigen Haltestelle wenige Sekunden früher(TM) abgefahren wäre. Es ist wie immer im Leben, es kommt auf das richtige Maß an Toleranz an, und das Verkehrsmittel ist für alle da, und nicht nur für den, der meint, er müsse möglichst knapp zur Haltestelle kommen. Der hat dann im Einzelfall eben das Nachsehen. Dafür haben vielleicht zwanzig Andere ihren Anschlussbus noch bekommen.
Das nennt man
gesunden Menschenverstand. Aber mache Leute erwarten eben nur von allen anderen "Menschenfreunde" zu sein und werden völlig intolerant, wenn es um ihr eigenes Verhalten geht.
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Dißinger a.k.a. Lokleitung